Zierfachwerk in Wächtersbach und Gelnhausen

In Wächtersbach ist die Blüte um 1500, aber auch um und nach 1700 gut ablesbar. Allerdings kommt es hier zu einer verwirrenden Stilvielfalt, die auf die sozialen Unterschiede der Bauherren zurückgeht.

 

In Gelnhausen hingegen sind die geistesgeschichtlichen Brüche vom Humanismus über den Absolutismus zur Empfindsamkeit an der Entwicklung der Mann-Figur besonders gut abzulesen.

 

Auf diese Kurzform lässt sich das Ergebnis dieser Arbeit zum Zierfachwerk in Wächtersbach und Gelnhausen bringen. Weitere Beispiele aus Hanau, Grünberg, Frankfurt am Main, Michelstadt, Ramholz und dem württembergischen Göppingen werden angeführt.

 

Die wichtigsten Ergebnisse sind:

·       Einige Fachwerkfiguren in Wächtersbach sind höchstwahrscheinlich Unikate. Dazu zählen die Mann-Andreaskreuz-Gruppe in der Bachstraße und der Wächtersbacher Schutzengel-Mann am Obertor.

·       Der Rumpenheimer Hof und der Fürstenhof in Gelnhausen haben höchstwahrscheinlich eine gemeinsame Baugeschichte. Von der Forschung bisher unbeachtet haben sie nicht nur eine sehr ungewöhnliche Bauweise, sondern weisen womöglich die ältesten Mann-Figuren von Hessen auf.

·       Der Fürstenhof zählt zu den bedeutendsten Baudenkmälern in Hessen. Er wird derzeit saniert und das Zierfachwerk mit Schindeln verkleidet. Dieser Eingriff ist durch nichts zu rechtfertigen.

 

 

Fachwerk ist ein Thema von allgemeinem Interesse. Ältere berichten, dass das früher in Hessen sogar Schulstoff war. Der Altstadtförderverein freut sich, dass er eine Arbeit herausgeben kann, die den Bogen vom Allgemeininteresse zur Fachwerkforschung schlägt.

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Zierfachwerk in Wächtersbach und Gelnhausen. Mit Seitenblicken nach Hanau, Grünberg, Frankfurt am Main, Michelstadt und Göppingen.
Auf 34 Seiten mit vielen Fotos wird die Entwicklung des Zierfachwerkbaus kurz beschrieben und am Beispiel Wächtersbach und Gelnhausen dokumentiert.
Zierfachwerk in Wächtersbach und Gelnhau
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Diese Datei ist die Version 8 vom 8. Oktober 2025. Gegenüber der Erstversion vom 21. Februar wurden geändert:

  • Das Gebäude auf der Titelseite (Schlossareal) ist auf einer Mauer aufgesetzt. Dabei handelt es sich wohl eher um ein hoch gemauertes Kellergeschoss als um eine Einfriedungsmauer.
  • Vom Haus des Handwerks, Gelnhausen, lagen bis Redaktionsschluss keine historischen Fotos oder Ansichten des Vorgängerbaus vor. Nun aber liegen Fotos aus den 1930er bzw. 1950er Jahren vor, die den giebelständigen Teil des Gebäudes zeigen - unter Putz und anscheinend etwas kleiner als der heutige Bau. Abgebildet wurde eine Bauskizze von 1966, die den Übergangszustand zeigt.
  • Die Beine der Mann-Andreaskreuz-Kombination ragen bei näherem Hinsehen andeutungsweise in die Nachbargefache. Auch das könnte eine Anspielung auf den Hessenmann sein, wie angeführt vermutlich aus der Sicht des Historismus.
  • In Wächtersbach wurde der Anspruch erhoben, die wenigen Andreaskreuze in der Bachstraße zu nennen. Am Giebel des Untertor 2 gibt es ebenfalls ein Andreaskreuz.
  • Das Gebäude Rosengasse 4 in Wächtersbach wies in der Ursprungsfassung fränkisches Zierfachwerk auf: Einen Halbmann und als einziges Gebäude in Wächtersbach eine durchkreuzte Raute und ein durchkreuztes Schild. Das Gebäude wurde abgebrochen, höher in massiver Betonbauweise wieder aufgebaut und mit einer an das Mittelalter erinnernden Scheinfachwerkfassade versehen.
  • Einige Impressionen aus Gelnhausen-Hailer wurden ergänzt und fachwerkgeschichtlich eingeordnet.
  • Ein Foto von der Winterschule wurde ergänzt.
  • Beobachtungen aus Lauterbach und Grünberg wurden eingearbeitet.
  • Aktualisierung zum Fürstenhof und ein Foto von der Seestraße
  • Redaktionelle Überarbeitung und Einarbeitung von Vergleichen in Lauterbach und Grünberg.

Am 10. Mai 2025 wurden die Ergebnisse beim Altstadtstammtisch mit zahlreichen interessierten Teilnehmern diskutiert.

Folgende Ergebnisse sollen weiterverfolgt werden. Sie sind noch nicht in der Datei verarbeitet:

  • Zum Rumpenheimer Hof: Die Gravur "anno 1549" wurde vom damaligen Eigentümer und Gründer des Heimat- und Geschichtsvereins in der Mitte des 20. Jh. angebracht. Die dem zugrundeliegende Recherche kann aber nicht mehr nachvollzogen werden.
  • Das Ladenlokal des Rumpenheimer Hofs (Nutzungsgeschichte: Wallich, Schlecker, Kunstraum, derzeit Volksbank) wurde in den 1950er Jahren eingebaut. Auf sonstige gravierende Änderungen in der Fassade liegen bis auf  ein zugemauertes Fenster zunächst keine Hinweise vor.
  • Die Hofapotheke ist etwas älter, wurde aber im angegebenen Jahr 1731 erweitert und mit der heutigen Fassade ausgestattet.
  • Die Bachstraße 3 wurde in den 1980er Jahren neu aufgebaut, also anscheinend grundsaniert. Fotos, die den vorherigen Zustand zeigen könnten, werden recherchiert.
  • Die Hausnummer Obertor 3 ist nicht belegt. Das war ein Stall.
  • Die Eigentümerin der Rosengasse 2 legte eine Eigentümergeschichte vor. Die Angaben zum mutmaßlichen Baujahr 1695 (nach Brand eines Vorgängerbaus von ca. 1590) stehen im Einklang mit den Angaben im Denkmalkataster.
  • Frappierend ist auch die Übereinstimmung des Fachwerks am Prinzessinnenhaus und der Rentkammer Meerholz. Enges Leiterfachwerk wird von halbierten Andreaskreuzen gerahmt - in Meerholz liegt der Schnittpunkt oberhalb der Mitte, so kann man darin auch einen Halbmann erkennen.
  • Halb- bzw. Eckmänner mit angedeutete Fuß sind auch an der Ecke Langgasse/Krämergasse (Café Nanea) zu erkennen.
  • Aus Lauterbach und Grünberg werden weitere Erkundigungen eingezogen, soweit sie Parallelen zu Gelnhausen und Wächtersbach haben könnten.
  • Am stadtbildprägenden Kanzleitor in Idstein von 1497 findet man nicht nur geschwungene V-Lambda-Strukturen, sondern auch nicht verzierte Feuerböcke. Es gab sie also bereits vor der Verbreitung der Männer und Feuerböcke ab 1520. Damit werden sie von anderen Fachwerktraditionen - wie etwa der französischen - abgegrenzt, die zwar das Andreaskreuz, aber nicht ihre geschwungene Variante kennt. In Frankreich wurde das Andreaskreuz vielmehr zu fischgrätenähnlichen Zierformen weiterentwickelt.
  • Der verwendete Begriff des Leiterfachwerks ist zu ungenau. Es geht vielmehr um engere Pfostenabstände bei repräsentativen Gebäuden (Altes Rathaus Wächtersbach, Prinzessinnenhaus, Rentkammer Meerholz). Mit dem engen Pfostenstand demonstrierte der Bauherr seinen (Holz-)Reichtum.
  • Die Unterscheidung Feuerbock-geschwungenes Andreaskreuz liegt im engeren Sinn in der Absicht des Bauherrn. Feuerböcke sind im eigentlichen Sinn unten schmaler als oben. Eigentlich bezeichnen sie ein Gestell zum Abbrennen von Brennholz. Im Zierfachwerk bezeichnen sie also verzierte und nicht verzierte Varianten gleichermaßen. Damit werden sie von anderen Fachwerktraditionen - wie etwa der französischen - abgegrenzt, die zwar das Andreaskreuz, aber nicht ihre geschwungene Variante kennt. In Frankreich wurde das Andreaskreuz vielmehr zu fischgrätenähnlichen Zierformen weiterentwickelt.
  • Wenn Rumpenheimer Hof und Fürstenhof in Gänze aus dem 19. Jh. stammen, spricht dafür: Die technische Akuratesse der Mannfiguren mit ihren schmalen Hölzern, der schmucke Halsquerriegel in Gefachbreite, beim Rumpenheimer Hof auch die Strahlen im Giebel.
  • Nicht nur in Lauterbach, auch in Bad Orb gibt es einen O-Bein-Mann (stilistischer Rückgriff auf die Gotik und damit vor die Renaissance) ohne weiteren Zierrat.
  • Wie gestaltete sich der Fachwerkbau vom Ende des Zierfachwerkbaus bis zum Beginn des Historismus? In der ersten Hälfte des 19. Jh. wurden Nicht-Zierfachwerkbauten erstellt von Adel und Bürgertum in der Regel in der Absicht, sie zu verputzen und massiv aussehen zu lassen. Auch überkommene Zierfachwerkbauten wurden häufig bis in die zweite Hälfte des 20. Jh. verputzt oder verschindelt. Einfachere Fachwerkbauten wurden, v.a. im landwirtschaftlichen Bereich, wurden im 19. Jh. häufig errichtet, ohne sie zu verputzen. Im ländlichen Bereich findet man sie noch häufig. Prägend sind z.B. wandhohe Diagonalstreben und schmucklose Gefache. Der Übergang zu historistischen Stilvorstellungen ist allerdings fließend.

Weitere Aktualisierungen können folgen.